Was folgt auf das Gute

Kommen Notfallsanitäter(inne)n zukünftig zu einem Notfall, welcher der Definition dieses Fachterminus wirklich gerecht wird, wird notfallmedizinische Heilkunde von ihnen verlangt. Was sollen angesichts dieses epochalen medizinrechtlichen Paradigmenwechsels Bewertungen der Gesetzesänderung als „unbedeutend“, „juristisch handwerklich schlecht gemacht“ oder „ändert nichts in der Praxis“. Letzeres mag für eine heute immer noch nicht annähernd quantifizierte Zahl von Rettungsdiensten zutreffen. Jedoch ist auch in diesen Rettungsdiensten die Welt legitimer Heilkundeausübung eine andere. An die Stelle des persönlichen Gutdünkens ihrer ÄLRD über den Umfang des erlaubten oder eben auch nicht erlaubten heilkundlichen Handelns der Notfallsanitäter(innen) ist auch hier ihre sektorale Heilkunderlaubnis getreten.
Von welch bahnbrechender Bedeutung dieser neue 2a des NotSanG ist, zeigte jüngst eine juristische Einordnung aus der immer wieder aufflammenden Diskussion um den Heilpraktiker-Beruf. Das Bundesgesundheitsministerium hat hierzu im Februar 2020 ein noch nicht fertiggestelltes Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, ob und in welcher Weise dieser Beruf reformiert werden kann. Parallel dazu wurde soeben ein weiteres Rechtsgutachten veröffentlicht. Unter dem Teilaspekt der sektoralen Heilpraktikererlaubnis, welche übrigens nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, sondern das Ergebnis höchstrichterlicher Rechtsprechung ist und von dieser als verfassungsrechtliches Korrektiv verstanden werden will, führt der Gutachter dann auch für die NotSan-Diskussion höchst Beachtenswertes aus:
„Das Bundesverwaltungsgericht zeigt regelmäßig wenig Neigung, Bedenken an einem einmal eingeschlagenen Lösungsweg wieder aufzugreifen. ( )
Zu monieren(an der Rechtsposition des BVerwG, der Verf.) ist insbesondere, dass die Ausdehnung des Bereichs nichtärztlicher Heilkunde auf Gesundheitsfachberufe, denen nach dem Willen des Normgebers gerade keine eigenständige Heilkundebefugnis zukommt, angesichts der Folgewirkungen für das System der Gesundheitsberufe eine Entscheidung ist, die dem Gesetzgeber vorbehalten sein sollte. Das Bundesverwaltungsgericht „zwingt“ dem Gesetzgeber durch seine Argumentation eine Berufskompetenz auf, die dieser ausdrücklich ablehnt. Gesetzessystematisch sollte ein Recht zur selbständigen Ausübung der Heilkunde in den jeweiligen Berufsgesetzen verankert werden." (R. Sasse: Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht“ 2/2021). Genau das ist gerade im NotSanG passiert. Der Gesetzgeber ist in dieser Sache erstmalig über seinen eigenen Schatten gesprungen. Auf diese Legitimierung der Notfallsanitäterinnen zur Ausübung von Heilkunde gilt es jetzt aufzubauen und aus der Riesenchance etwas Gutes für den Rettungsdienst, letztendlich für das Gesundheitswesen in Deutschland und möglichst für alle dort tätigen Menschen zu machen. Das ist jetzt alles andere als ein Selbstläufer. So manches Hindernis (z.B. Applikation von Opiaten durch Nichtärzte) muss noch aus dem Weg geräumt werden. Achtsamkeit ist weiterhin unverzichtbar, damit bei der konkreten Ausgestaltung von konstitutiven Teilbereichen (z.B. Landes-SOPs bzw. SAAs, Notarztindikationskataloge, Telenotarzt, Kompetenzsicherung, ggf. Heilpraktikergesetz) nicht quasi durch die Hintertür gerade erst auf ihren angemessenen Platz verwiesene Partikularinteressen wieder gekonnt, weil leise Einzug halten.

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